WIRTSCHAFTSSPIEGEL Thüringen – Ausgabe 2/2022

Für Unternehmen, gleich welcher Größe, steigt die Bedeutung von datenbasierten Geschäftsmodellen. Mittelständler sollten ihre Daten für Produkte und Produktion nutzen und möglichst monetarisieren. Bisher war das Nutzen von Daten außerhalb des eigenen Unternehmens jedoch komplex und riskant, insbesondere weil Abhängigkeiten zu Cloudanbietern in den USA und China entstanden. Die Europäische Union hat daher im Oktober 2019 das Projekt GAIA-X zum Aufbau einer leistungs- und wettbewerbsfähigen, sicheren und vertrauenswürdigen Dateninfrastruktur für Europa ins Leben gerufen. In Thüringen ist das Erfurter Unternehmen NT.AG an GAIA-X beteiligt. Sebastian Gawron ist dort als Digitalisierungsbotschafter beschäftigt. Im Interview beleuchtet er GAIAX näher. Grundstein für die datenbasierten Geschäftsmodelle der Zukunft GAIA-X Herr Gawron, wer schon einmal von GAIA-X gehört hat, assoziiert damit die sogenannte EU-Cloud –also eine Alternative zu den Googles, Microsofts und Alibabas dieser Welt. So zumindest wurde es bisweilen beschrieben. Greift das zu kurz? Was ist GAIA-X wirklich? GAIA-X fördert den Aufbau eines digitalen Ökosystems, in dem Daten in einem vertrauenswürdigen Umfeld zur Verfügung gestellt, gesammelt und ausgetauscht werden können, wobei die Dateneigentümer jederzeit die Hoheit über ihre Daten behalten. Dabei tritt GAIA-X nicht selbst auf dem Markt auf, um dort mit den etablierten Unternehmen zu konkurrieren. GAIA-X ist kein Unternehmen, das wie ein eigenständiger Cloud-Anbieter fungiert. Es ist ein Regelwerk, das die Teilnehmer verbindet, um neue innovative Produkte und Dienstleistungen entstehen zu lassen. In diesem Zusammenhang sind aber nicht nur Regeln, sondern auch Softwarekomponenten für ein föderiertes System zu entwickeln. Hin und wieder wird GAIA-X in den Medien totgesagt. Ist das der Berufspessimismus der BedenkenfähnchenTräger? Zunächst steht hinter GAIA-X der politische Wille, unabhängig von den marktdominierenden Hyperscalern bzw. den großen Cloud-Anbietern zu sein. Dabei soll ein System etabliert werden, welches nach europäischen Regeln und Werten, wie etwa Offenheit, Transparenz und Vertrauen funktioniert. Es soll ein Ökosystem für Infrastruktur und Daten geschaffen werden, welches jedem Teilnehmer ermöglicht, regelbasiert mit anderen zusammenzuarbeiten. Es geht um einen ganz neuen Ansatz: Daten- und Dienstangebote transparent und branchenübergreifend in Föderationen gemeinsam bekannt und nutzbar zu machen und trotzdem die Besitzverhältnisse zu wahren. Im ersten Schritt wurde zunächst am Regelwerk für dieses System gearbeitet. Die gemeinsamen Spielregeln, die Softwarearchitektur und die Richtlinien zur konsistenten Verwendung von Standards sowie Open-Source-Software mussten unter den Mitgliedern (aktuell 333) erarbeitet und abgestimmt werden. Dieser Prozess benötigte seine Zeit. Deshalb sah es oberflächlich betrachtet so aus, als ob bei der Weiterentwicklung von GAIA-X nichts passierte. Doch wir befinden uns zum jetzigen Zeitpunkt in der Implementierungsphase des GAIAX-Werkzeugkastens, der die Basis für jedes zu schaffende GAIA-X-Ökosystem legt. GAIA-X als europäisches Projekt mit deutschen Wurzeln wird in den kommenden Monaten seine Potenziale in den Anwendungsbereichen verdeutlichen und dabei innovative Geschäftsmodelle sowie soziale Innovationen ermöglichen. Um es anhand der aktuellen Energiedebatte zu verdeutlichen: Nur durch den konsequenten Einsatz digitaler Technologien wie GAIA-X kann beispielsweise die Energieversorgung in der EU und Deutschland resilient gestaltet werden. Deshalb darf nicht außer Acht gelassen werden, dass digitale Infrastrukturen unter Souveränitätsgesichtspunkten ebenso relevant sind wie physische Infrastrukturen. Wie bewerten Sie es, dass amerikanische Anbieter inklusive der Datenkrake Palantir bei GAIA-X mitmachen dürfen? Den Europäern ist bewusst, dass sie den großen Cloud-Anbietern in Technologiefragen stark hinterherlaufen. Warum sollte Europa auf dieses Wissen verzichTransformation 10 Foto: NT.AG Sebastian Gawron

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